Am 1. Juli 2005 berichtete die LVZ zum Volvo Champions Race am Cospudener See:
Ein (wahres) Segel-Märchen
Leipzig. Roland Gäbler gehört zu den Stars der Szene. Der 41-Jährige hat im Segeln allerhand erreicht, wurde dreimal Weltmeister, neunmal Europameister, war 2000 Olympiadritter. Den Namen Marcus Raupach hört er am späten Donnerstagabend zum ersten Mal.
Jener Marcus Raupach ist 13 Jahre alt, wohnt in Markranstädt, besucht die 7. Klasse der Montessori-Schule und hatte bis gestern keine Ahnung, wer Roland Gäbler ist. Seit gestern aber sitzen sie zusammen in einem Boot und segeln bei der Volvo Champions Race auf dem Cospudener See gegen die Weltspitze um Sieg und 6000 Euro Preisgeld. Die Geschichte klingt wie ein Märchen, ist aber wahr.
Donnerstagabend in Kiel. Gäbler und sein Vorschotmann Gunnar Struckmann (22) machen sich fertig für die Reise nach Leipzig. Beim Verladen des Bootes passiert es: Struckmann klemmt sich an der Tür der Bootshalle die Hüfte ein, der junge Kieler muss mit schmerzhaften Prellungen zum Arzt. An harte Arbeit auf dem “Kahn” ist nicht zu denken. Gäbler fährt allein los und telefoniert unterwegs mit ein paar Sportkameraden, ob sie kurzfristig einspringen können. So plötzlich kann aber keiner, und schließlich – noch auf der Autobahn – ruft er den Renndirektor Dirk Neumann an: “Ich brauche einen Vorschotmann.”
Neumann weilt schon vor Ort, steckt mitten in den Vorbereitungen. Er fragt Jana Weißbach, Koordinatorin des Segelverbandes Sachsen, ob sie einen guten Mann für Gäbler kennt. Die junge Dame hat nun ein Problem: “Die eine Hälfte unserer Leute startet bei einer Regatta auf der Talsperre Pöhl. Die andere ist voll in die Organisation hier eingebunden.” Guter Rat ist teuer, da fällt ihr der Marcus ein. “Eines der größten Talente, die wir haben.”
Es ist gegen 22 Uhr und Marcus Raupach liegt schon im Bett. Schlecht gelaunt, weil auch er auf der Talsperre segeln wollte, aber sein Steuermann krank wurde. Vater Jörg weckt ihn, fragt, ob er sich zutraut, auf einem Tornado auf dem Cospudener See zu segeln. Der verdutzte Schüler – segelt im 420er-Juniorboot beim SVLeipzig Südwest auf dem Kulkwitzer See – glaubt erst an einen Scherz, sagt dann natürlich zu. Der Vater schreibt eine Schulbefreiung und am gestrigen Morgen sitzen Weltstar Gäbler und Schüler Raupach zusammen im Tornado, Marcus übrigens zum ersten Mal.
“In einem Crashkurs hab ich ihm die ersten Manöver gezeigt, und dann ging’s los”, erzählt Gäbler. Im Zwölfer-Feld schlägt sich das ungewöhnliche Duo prächtig: Platz sieben in der ersten, Rang acht in der zweiten und Fünfte schließlich in der dritten Wettfahrt. “Marcus hat seine Arbeit exzellent gemacht, ist von Runde zu Runde besser geworden”, lobt Gäbler. “Natürlich muss ich mehr machen als sonst, vor allem die taktischen Dinge. Aber ich bin froh, dass er die ganzen Handgriffe gepackt hat.”
Der so gelobte ist ob des ganzen Rummels um ihn und seinen Drei-Tage-Chef sichtlich irritiert. “Oh Mann, war ich aufgeregt. Aber ich bin auch völlig kaputt”, gibt Marcus zu, sagt im gleichen Atemzug: “Es hat unheimlich Spaß gemacht.” Das Wichtigste für ihn: “Von dem Roland kann ich unheimlich viel lernen. “Findet Gäbler auch, der angesichts des neuen Partners meint: “Jede Platzierung, die besser ist als Letzter, ist für uns doch großartig. Die anderen müssen jetzt doch völlig frustriert sein. “Demnach ist der gestrige Tag für ihn ein Erfolg.
Ein solcher ist der Auftakt der Volvo Champions Race durchaus, auch wenn der Publikumszuspruch noch zu wünschen übrig lässt- an einem Freitag bei zum Teil starkem Regen allerdings absehbar. Den Athleten sind die Niederschläge freilich wurst (durchnässt sind sie sowieso), für sie ist nur der Wind wichtig. Und weil der gestern wie gewünscht gleichmäßig bläst, finden sie das neue Revier sehr gut. “Eine perfekte Rennstrecke, das ist die Zukunft”, urteilt Gäbler. Auch den Besuchern gefällt’s. “Klasse! Ich hätte nie gedacht, dass man die Aktionen so nahe sieht”, meint der Leipziger Christian Seidel, “das ist richtig spektakulär. Nur die Sonne fehlt. “Gegen die hätten auch Marcus Raupach und Roland Gäbler nichts einzuwenden. Letzterer glaubt: “Am Ende sind wir ein richtig gutes Team. “Nach drei (von 12) Wettfahrten führen bei den Tornados die Weltmeister Darren Bundock/Glenn Ashby aus Australien, bei den 49ern nach vier (von 12) Wettfahrten die Österreicher Nico Delle-Karth/Nikolas Resch.
Sonnabend ab 10 Uhr und Sonntag ab 10.30 Uhr werden die Regatten fortgesetzt. Samstagabend Konzert und 22.45 Uhr Musikfeuerwerk, Finale mit Siegerehrung Sonntag 15.30 Uhr. Eintritt gratis.
Uwe Köster – © Leipziger Volkszeitung vom Freitag, 1. Juli 2005 – lvz-online.de
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