Historisches Rund um Grünau
Genau 99 Jahre währte auf dem Gelände des heutigen Naherholungsgebietes “Kulkwitzer See” der Braunkohlenbergbau und veränderte zwischen den Orten Kulkwitz, Göhrenz-Albersdorf, Lausen, Miltitz und Markranstädt sowohl die Topographie der Landschaft als auch die sozial-ökonomische Struktur dieser Orte. Schon Anfang der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts ließ der Landwirt Traugott Schröter aus Göhrenz auf eigene Kosten an verschiedenen Stellen der dortigen Flur Bohrungen durchführen. Dabei wurden in etwa 20 m Tiefe 3 m bis 9 m mächtige Braunkohlenschichten festgestellt. Aufgrund des guten Resultates gründete man 1864 die Braunkohlenabbaugesellschaft “Grube Mansfeld”.
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Der Name ging darauf zurück, dass man erfahrene Bergleute aus dem Mansfeldischen geholt hatte. In Albersdorfer Flur, in der Nähe von Kohlwagens Mühle, jener holländischen Windmühle, die sich östlich von Göhrenz noch heute befindet, ließ man den ersten Schacht abteufen. Man bekam aber die starken Wassereinbrüche nicht unter Kontrolle und musste hier die Förderung aufgeben. In der Nähe der von Markranstädt nach Zwenkau führenden Straße, am Abzweig nach Göhrenz, hatte man mehr Glück. Um die Jahrhundertwende förderten hier aus dem 1881 abgeteuften “Glück-auf-Schacht” 200 Bergleute täglich 900 “Hektoliter” Braunkohle. Aus der Aktiengesellschaft entstand 1884 die Gewerkschaft Grube Mansfeld und im gleichen Jahr wurde der König-Albert-Schacht abgeteuft. Kurze Zeit später kam auf dem südlichen Teil des heutigen Kraftwerksgeländes der “Carola-Schacht” hinzu. Schon 1891 wurde die Gewerkschaft wieder aufgelöst und in die “Leipziger Braunkohlenwerke AG” umgewandelt. Diese verfügte 1926 über einen Grundbesitz von 548 ha, darunter das Rittergut Gärnitz und fast die ganze Flur Kulkwitz, außerdem Teile der Fluren Quesitz, Markranstädt, Lausen, Göhrenz, Albersdorf und Seebenisch und der angrenzenden preußischen Fluren Schkeitbar, Schkölen und Thronitz.
Mehrfach kam es in den Leipziger Kohlenwerken zu Arbeitsniederlegungen. So streikten die Arbeiter schon 1906 unter der Forderung: Einführung des 8-Stunden-Tages und von Schichtminimallöhnen. Diese Forderung wurde dem damaligen Bergdirektor Hoffmann schriftlich übergeben. Dieser war kraft seines Amtes so anmaßend, dass er die Forderung vor den Augen der Kumpels zerriss. Im Januar 1919 streikten die Kulkwitzer Kumpel gemeinsam mit Millionen von Werktätigen Deutschlands aus Protest gegen die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, und im Oktober 1927 beteiligten sie sich am internationalen Bergarbeiterstreik.
1937 gab man in Kulkwitz die unrentable Untertageförderung auf und begann längs der Zwenkauer Straße zwischen der Ortsgrenze Markranstädt und dem Braunkohlenbergwerk mit der Kohleförderung im Tagebau. Dieser erste Tagebau fand dann seine Fortsetzung westlich von Göhrenz und Lausen und ab 1956 bis nach Miltitz. Dafür mußten verschiedene direkte Verbindungswege zwischen Markranstädt und Göhrenz bzw. Lausen und die beiden Wasserwerke für den Ort und für die Zuckerfabrik Markranstädt geopfert und die Fernverkehrsstraße F87 zwischen Markranstädt und Miltitz im Bogen nach Norden verlegt werden. Den geförderten Abraum transportierte man anfangs auf die durch den ehemaligen Tiefbau entstandenen Bruchfelder zwischen Kulkwitz und Markranstädt und später in das Restloch an der Zwenkauer Straße. Hier entstand die Hochkippe, deren Wald schon heute zum Wandern einlädt. Die Auskohlung des Tagebaus im Bereich Miltitz war 1963 beendet. Bis zu diesem Zeitpunkt lieferte der Tagebau die Kohle für das Kulkwitzer Kraftwerk, das heute die Neubauten in Grünau mit Fernwärme versorgt.
Die jährliche Kohleförderung des Kulkwitzer Reviers betrug:
im Tiefbau | |
1905: | 300.000 t |
1936: | 450.000 t |
im Tagebau | |
1946: | 900.000 t |
1960: | 2.000.000 t |
Im Gebäude des ehemaligen Heimatmuseums am Markranstädter Markt nördlich der Kirche befindet sich ein vom Rat der Stadt Markranstädt betreuter Ausstellungsraum, in dem die Geschichte des Kulkwitzer Braunkohlenbergbaus recht anschaulich dargestellt ist.
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Dieser erste Tagebau fand dann seine Fortsetzung westlich von Göhrenz und Lausen und ab 1956 bis nach Miltitz. Dafür mussten verschiedene direkte Verbindungswege zwischen Markranstädt und Göhrenz bzw. Lausen und die beiden Wasserwerke für den Ort und für die Zuckerfabrik Markranstädt geopfert und die Fernverkehrsstraße F87 zwischen Markranstädt und Miltitz im Bogen nach Norden verlegt werden. Den geförderten Abraum transportierte man anfangs auf die durch den ehemaligen Tiefbau entstandenen Bruchfelder zwischen Kulkwitz und Markranstädt und später in das Restloch an der Zwenkauer Straße. Hier entstand die Hochkippe, deren Wald schon heute zum Wandern einlädt. Neben Gesteinsfunden der älteren Steinzeit aus dem Tagebau findet man hier die Nachbildung eines Untertagestollens mit Hunt und Gezähe, Paradeuniformen von Bergmann und Steiger, den Degen eines Bergingenieurs, Fotos vom Schacht mit Kohlwagens Mühle 1880 und vom Streik 1927, aber auch einen inzwischen historischen Plan von 1965 zur Gestaltung des Naherholungsgebietes am Markranstädt-Miltitzer See. Die Ausstellung ist momentan geschlossen; sie soll aber zu einem späteren Zeitpunkt in einem anderen Gebäude Markranstädts der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht werden.
75 Jahre Landkraftwerke Kulkwitz
Am Südwestrand des Kulkwitzer Sees wird die Silhouette der Landschaft durch zwei große Schornsteine geprägt. Diese gehören zum Heizkraftwerk Kulkwitz, das seit 1979 die Fernwärme für Grünau liefert. Bereits im Jahre 1910 wurden hier die “Landkraftwerke Leipzig AG in Kulkwitz” mit einem Aktienkapital von 5 Millionen Mark gegründet, um elektrischen Strom für die Leipziger Außenbahn-AG und die benachbarten Orte zu liefern. Am 14. Juli 1910 erfolgte die Grundsteinlegung, und am 15. Mai 1911 konnte der Betrieb eröffnet werden. Anfangs verfügte das Kraftwerk über ein eigenes Hochspannungsnetz von 81 km Länge und versorgte die Stadt Markranstädt und 28 Gemeinden des Leipziger Landkreises mit Elektroenergie. Im Jahre 1914 betrug die Länge des Hochspannungsnetzes schon 602 km und die des Niederspannungsnetzes 206 km, wozu 185 Trafo-Stationen gehörten. Damit waren 23 Städte und 719 Ortschaften, auch im Gebiet von Borna, Grimma und Rochlitz, an das Kraftwerk Kulkwitz angeschlossen. In dieser Zeit betrieb das Kraftwerk 8 Dampfkessel und 4 Generatoren mit einer installierten Leistung von 14 MW.
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Zwei heute nicht mehr vorhandene Schornsteine von 70 m und später 80 m Höhe gehörten damals zum Kraftwerk. Die benachbarten Leipziger Braunkohlenwerke AG, deren Aktien zum großen Teil den Landkraftwerken gehörten, lieferten mit einem Becherwerk die notwendige Braunkohle. Durch den Kauf bereits bestehender kleiner Überlandwerke wurde das Versorgungsgebiet nach dem 1. Weltkrieg auf weitere Teile der Kreise Merseburg, Querfurt und Eckartsberga ausgedehnt. Um 1920 entstand ein dritter Schornstein von 105 m Höhe. 1938 kam es zur Verschmelzung der Leipziger Braunkohlenwerke AG mit den Landkraftwerken, und im gleichen Jahr wurden 3 neue Großkessel installiert und ein neuer Schornstein von 150 m Höhe erbaut, der später um 25 m gekürzt wurde. Dieser wurde inzwischen stillgelegt und abgebrochen.
1940 beschäftigte der Gruben- und Kraftwerksbetrieb 1120 Personen (davon 476 im Braunkohlenwerk), wozu 13 belgische Zivilarbeiter und 66 französische Kriegsgefangene gehörten; 1943 befanden sich unter den 1037 Beschäftigten (469 im Braunkohlenwerk) 97 ausländische Zivilarbeiter, 45 französische und 92 sowjetische Kriegsgefangene sowie 11 militärinternierte Italiener, die zusammen fast ein Viertel der Belegschaft ausmachten. Obwohl 1941 durch zwei neue 25 MW Generatoren die Leistung des Kraftwerkes auf insgesamt 68 MW erhöht wurde und während des Hitlerkrieges keine Bombenschäden entstanden waren, befand sich das Kraftwerk 1945 in einem schlechten technischen Zustand.
Seit Juli 1945 unterstand es der sowjetischen Militäradministration, und am 1.März 1947 wurde das Kraftwerk der Landesverwaltung Sachsen übergeben. Damit wurde es Volkseigener Betrieb. Schon am 12. Dezember 1945 hatten sich im Kraftwerks- und Grubenbetrieb die Genossen von SPD und KPD zu einer gemeinsamen Betriebsparteiorganisation zusammengeschlossen. 1948 wurden Kohlengrube und Kraftwerk wieder voneinander getrennt und seitdem untersteht das Kraftwerk dem VEB Energiekombinat Leipzig.
Die im Kraftwerk Kulkwitz erzeugte Elektroenergie zeigt die folgende Übersicht:
im Jahre | Mill. KWh |
1914 | 16,8 |
1920 | 33,1 |
1925 | 71,5 |
1938 | 128,0 |
1943 | 301,0 |
1945 | 169,0 |
1948 | 227,0 |
Nach 1945 kam es zu einem weiteren Ausbau des Kraftwerkes. So entstand 1947/49 ein zweiter 150 m hoher Schornstein, der als größter noch heute in Betrieb ist. Durch den Bau neuer Dampferzeuger konnte die Leistung des Kraftwerkes 1953 auf 76 MW und 1954 auf 88,3 MW gesteigert werden. Zur Deckung des Wärmebedarfs von Grünau erfolgte ab 1979 schrittweise die Umstellung zum Wärmekraftwerk, in dem heute fast 300 Mitarbeiter tätig sind. 1981 wurde östlich der Zwenkauer Straße ein neues Heizwerk mit zwei 60m hohen und mit Rauchgasentstaubungsanlagen ausgerüsteten Stahlschornsteinen – ein Gemeinschaftswerk der SFR Jugoslawien und der DDR – errichtet, das etwa 50% der benötigten Wärme liefert. Die notwendige Rohbraunkohle – täglich 2100 t, in Spitzenzeiten sogar 2300 t – wird über den Bahnhof Leipzig / Plagwitz auf der Plagwitz-Pörstener Eisenbahn aus den Tagebauen Witznitz und Profen zugeführt. Gegenwärtig sind die Gründungsarbeiten für einen neuen 170 m hohen Betonschornstein im Gange, der 1988 fertiggestellt sein soll. Tausend Kubikmeter Wasser, die in Kulkwitz je nach Außentemperatur bis auf maximal 180 °C erhitzt werden, kursieren in einem Kreislauf durch Grünau und kommen mit etwa 70 °C zurück. 7 Umformerstationen werden dazu vom VEB Wasserversorgung und Abwasserbehandlung Leipzig betreut.
Das Naherholungsgebiet Kulkwitzer See
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Das Naherholungsgebiet umfasst eine Fläche von 450 ha, wobei im Endausbau die Wasser- und Waldflächen je 150 ha groß sein werden. Schon 1958, als der Tagebaubetrieb noch in vollem Gange war, wurde vom Rat des Bezirkes Leipzig und vom Kreistag Leipzig Land beschlossen, die Restlöcher Kulkwitz und Miltitz sowie die Hochkippe planmäßig für die Naherholung zu erschließen, und so erfolgten schon damals erste Böschungsregulierungen. Am Markranstädter Rathaus kündete zu dieser Zeit eine farbige Tafel mit Bild und Aufschrift “Markranstädt am See” von jenem Erholungsgebiet, das inzwischen Wirklichkeit geworden ist.
Auf der etwa 100 ha umfassenden Hochkippe nordwestlich von Göhrenz, die eine Höhe von 15 bis 20m über dem Gelände erreicht und heute einen prächtigen Ausblick auf den Kulkwitzer See und auf die Neubauten von Grünau ermöglicht, wurden schon 1950 Pappeln und Luzerne und später auch Schwarzerlen, Robinien, Eschen, Akazien und Ahorn angepflanzt. Nach der Auskohlung 1963 trennte die beiden Restlöcher ein noch 1980 sichtbarer Erddamm. Dieser befand sich in der Nähe des großen Backsteinbauwerkes westlich von Lausen, das früher als Transformatorenstation des Tagebaues gedient hatte. Der Tagebau hinterließ fast ringsum steile Böschungen, und das Ostufer glich einer unwegsamen Kraterlandschaft. Nur langsam füllten sich die Restlöcher mit Wasser. Es war ausschließlich Grund- und Niederschlagswasser, wobei das Grundwasser an zahlreichen Stellen des östlichen Tagebaurandes aus den in der Elster- und Saaleeiszeit entstandenen Schotterschichten früherer Urstromtäler austrat und über Rinnsale und durch den eigens dafür geschaffenen Einschnitt dem Kulkwitzer See zulief und noch zuläuft.
Der Wasserstand hat derzeitig seinen Endwert von 114,36 m über NN erreicht. Die größte Breite des Kulkwitzer Sees beträgt 1100 m, die Länge 2700 in und die größte Tiefe etwa 30 m. Die Wasserqualität weist für den Badebetrieb Bestwerte aus. Bereits 1963 lagen beim Rat des Bezirkes erste Grundsatzpläne für die Entwicklung des Naherholungsgebietes vor, und 1969 begannen gezielte Maßnahmen zur Rekultivierung. Anfangs konzentrierte sich der Ausbau auf die Gestaltung des Ostufers im Bereich Miltitz. 1971 begannen hier umfangreiche Erdbewegungen und Planierungsarbeiten, und 1972 wurde “Frieda”, ein ausgedienter Saalelastkahn von 53 m Länge und 6 m Breite dreigeteilt auf Tiefladern von Wettin nach Miltitz transportiert, auf ein vorgefertigtes Fundament gesetzt, wieder zusammengeschweißt und zur Schiffsgaststätte “MS Leipzig” ausgebaut.
Im Mai 1973 eröffnete man am Kulkwitzer See offiziell den Erholungsbetrieb. und seitdem erfolgte systematisch der weitere Ausbau des Naherholungsgebietes besonders im Bereich Miltitz mit Errichtung des Campingplatzes und des Zentrums für aktive Erholung sowie mit dem Bau von Versorgungs- und Sanitäreinrichtungen. Zur Gewährleistung ausreichender Sicherheit wurden die Badestrände im Bereich Miltitz 1978, bei Lausen und Göhrenz 1979/81 und auf der Markranstädter Seite 1982/83 auf einer Länge von insgesamt 1750 m abgeflacht. wobei über eine Million Kubikmeter Erdmassen bewegt werden mussten. Durch planmäßige Pflanzungen entstand am Grünauer Ufer eine parkartige Landschaft, die nun auch außerhalb der Saison zum Besuche einlädt und derzeitig durch die Aufschüttung eines Radelberges ergänzt wird. Im Endausbau werden am Kulkwitzer See außer am Miltitzer Schiff und in Lausen drei weitere Erholungsbereiche in Göhrenz, Markranstädt und auf der Hochkippe zur Verfügung stehen. Das Naherholungsgebiet “Kulkwitzer See” ist ein bemerkenswertes Beispiel für die planmäßige Rekultivierung und Erschließung einer Tagebaulandschaft für Erholungszwecke, wofür umfangreiche finanzielle Mittel durch die Staatsorgane bereitgestellt wurden. Mehr als 35 Millionen Mark aus dem Staatshaushalt und aus Lottomitteln wurden dafür seit 1972 aufgewendet.
Im Naherholungsgebiet “Kulkwitzer See” einschließlich seines Projektierungs- und Baubetriebes sind heute außer zahlreichen Saisonkräften 80 ständige Mitarbeiter tätig. 600 Strandkörbe, 100 Liegestühle und 50 Ruderboote stehen den Erholungssuchenden am Kulkwitzer See derzeitig zur Verfügung. Der Campingplatz bietet 1000 Personen Platz, und 30 Finnhütten und 14 Bungalows können als touristische Unterkünfte genutzt werden, Westlich von Lausen entstand in den Jahren 1971 bis 1980 als Interessengemeinschaft von 50 Leipziger Betrieben eine Bungalowsiedlung mit 141 Sommerhäusern.
Quelle: Kulturbund der DDR, Gesellschaft für Heimatgeschichte Leipzig; Wolfgang Grundmann, Leipzig 1986
Recherchiert von Tobias Kahlert – 2000
Aufgrund der teilweisen Trockenlegung des Elsterstausees zog 1977 ein Teil der BSG-Mitglieder zum Ostunfer des Kulkwitzer Sees, 1979 dann endgültig zum Westufer. Zu dieser Zeit begann auch der Aufbau der Hafenanlage sowie des Seglerheims und der Objekte für den Kinder- und Jugendbereich.